Die berüchtigte Biskaya

Brest

Nach der Überquerung von den Scillys, waren wir froh einen Platz in Brest ergattern zu können, denn was wir nicht bedacht hatten, dass am 14. Juli der Nationalfeiertag von Frankreich ist. Somit waren wir erstaunt wie viele Schiffe in den nächsten zwei Tagen nach unserer Ankunft, noch in den Hafen kamen und sogar noch an anderen Segelschiffen oder Yachten ein Raft-Up machten. Bei einem Raft-Up werden mindestens zwei Schiffe aneinander angemacht, dabei ist eines davon seitlich am Pantoon befestigt. Das wird gemacht, wenn es keine freien Plätze mehr gibt, der Eigner des Schiffes welches am Pantoon ist muss jedoch sein Einverständnis geben.

In den ersten beiden Tagen haben wir nichts grosses unternommen und uns erholt. Anschliessend  haben wir die lokalen Museen erkundet. Oberhalb der Marina liegt das Musée National de la Marine, welches sehr cool ist. Das Museum befindet sich im Château de Brest, welches das älteste Monument in Brest ist. Das Museum zeigt die 400 Jährige Geschichte der Marine in Brest, dabei wird die Geschichte des Châteaus nicht ausgelassen, denn früher war es ein wichtiger Handelsknoten, da dies direkt an der Flussmündung liegt. Das Militär ist immer noch in der Nähe stationiert, der Hafen hat sich ein bisschen verschoben doch einige Nebengebäude des Schlosses werden immer noch vom Militär verwendet.

Weiter haben wir einen Abstecher ins 70.8 Musée pour l’océan gemacht. Das war ebenfalls sehr interessant, doch ich würde glaube ich nicht nochmals gehen. Wer gerne sehen und lesen möchte wie Algen aus dem Ozean für Kosmetik, Plastik usw. verwendet wird – Go For It. Doch ich habe ein bisschen mehr über die Ozeane wissen wollen, es hat sehr viele Themengebiete angeschnitten was interessant ist, doch es war zu oberflächlich was wiederum schade war.

Leider hatten wir Pech und Glück zu gleich, denn ein Sturm mit bis zu 40 Knoten Wind fegte über Brest und wir konnten daher nicht weiter reisen. Doch wir waren gut geschützt in der Marina und konnten uns noch mehr Zeit dafür nehmen um unsere Weiterreise zu planen.

Vorbereitungen für unsere bisher grösste Herausforderung

Während wir das schlechte Wetter in der Marina ausharten, planten wir bereits fleissig unsere Überquerung nach Spanien. Uns ist bewusst, dies wird keine einfache Überfahrt wie über den Ärmelkanal. Abends lasen wir noch viele verschiedene Berichte von anderen Seglern, ich lernte währenddessen auch noch wie man das Wetter besser lesen kann. Denn das finde ich noch ganz praktisch wenn ich eine bisschen was verstehe, wenn eine Wolkenformation auf uns zukommt.

Dominik hat währenddessen unser neues Gadget bestellt, denn für diese Überquerung wollten wir uns unbedingt ein kleines Satellitentelefon anschaffen, über welches wir die Wetterdaten anfordern können. Das Teil kann natürlich noch viel mehr doch wir haben das kleinste Abonnoment genommen, wir können noch ein dutzend SMS oder Emails pro Monat versenden und wir können unsere Position senden. Während der Überquerung haben wir alle 4 Stunden eine Position gesendet und dann solltet ihr hier auf der Karte einen schönen Track von unserer Überquerung sehen.

Da wir dann in Spanien sind und immer wie mehr Richtung Mittelmeer segeln, haben wir uns natürlich auch mit der Orca-Thematik auseinander gesetzt. Dominik hat einen Pinger gefunden, welcher auch in der Fischerei eingesetzt wird um den Beifang von Delfinen zu minimieren. Da Delfine und Orcas auf der selben Frequenz kommunizieren, sagt man sich, dass dieser Pinger auch helfen soll, falls man von Orcas angegriffen wird. Ob es hilft kann man nicht sagen, denn es wird hauptsächlich in der Fischerei eingesetzt und die haben bis jetzt keinen Orca gefangen so viel ich weiss. Doch wir wollen so gut wie möglich vorbereitet sein sobald wir nach Portugal und Gibraltar segeln.

Lange war nicht klar ob wir nun wirklich starten oder nicht, die Wettermodelle haben sich von der Stärke des Windes doch noch einiges Unterschieden. Doch am Mittwoch war es dann soweit, die Wettermodelle waren nicht identisch doch keines meldete mehr als 28 Knoten Wind was wir als machbar bezeichneten. Wir werden somit am Freitag die Überquerung wagen. Ich bin nervös. Noch nie bin ich so lange vom Festland entfernt gewesen. Ich und Dömu haben grossen Respekt vor jedem der bereits den Biscay überquert hat und doch freuen wir uns darauf sagen zu können, wir haben den Biscay auch überquert! Während wir unseren letzten Abend an Land genossen, schwirren die Gedanken um jede Einzelheit unseres Trips. «Haben wir an alles gedacht?» «Haben wir wirklich nichts übersehen beim Wetter?»

Die Biskaya

Morgens um 5 Uhr klingelte unser Wecker, es war Zeit sich langsam anzuziehen und alles bereit zu machen. Es war frisch und ich ziehte mir genügend Kleidung an, um nicht bereits am Anfang unserer Reise zu frieren. Nochmals wird kontrolliert ob alle Gegenstände verstaut oder angemacht sind. Die Navigationsgeräte werden alle gestartet und bereit gemacht, das Tablet mit der Route vorbereitet und der Motor wird angeschmissen. Mit dem Sonnenaufgang fahren wir langsam aus dem Hafen und hinaus in den Channel. Alles ist bereit, wir sind bereit.

Tag 1 – Delfine und die Überquerung der Europäischen Kontinentalplatte

Während unserer Planung haben wir uns dazu entschieden, lieber mit zu wenig Wind zu starten als mit zu viel. Wir hatten dementsprechend an unserem ersten Tag sehr wenig Wind, eigentlich sollten wir ein klein wenig haben so ca. 8-9 Knoten doch wir hatten nur so um die 4-5 Knoten was für unser Schiff zu wenig ist. Somit verbrachten wir den Morgen damit zu Motor-Segeln, dabei wird nur das Hauptsegel gehisst und mit dem Motor Wind erzeugt damit wir ein bisschen Distanz zurücklegen können.

Das Wetter war bombastisch, kein Wölkchen trübte den Himmel, die Sonne schien und das Meer war ruhig und unglaublich klar. Als wir uns ca 30-40 Nautical Miles vom Festland entfernt hatten, stiess eine grosse Schule von Delfine auf uns und begleiteten uns etwa eine Stunde lang. Immer weider verliessen sie uns um zu jagen, da wir fast den selben Kurs hatten, holten wir die Delfine immer wieder ein und sie kamen immer wieder zu unserem Bow, um mit den Wellen mit zu surfen. Manchmal konnten wir auch sehen wie sie in der ferne jagten, die Möven waren immer ein gutes Indiz dafür wo die Delfine gerade jagten. Es war wirklich unglaublich so lange hatten wir noch nie Delfine gesehen, vorallem immer wieder kamen zwei zu uns, dann wieder die Schule oder vier Delfine zusammen. Ich hänge wieder ein Video ganz unten am Blog an, dort sieht man gut wie verspielt die Delfine sind, wirklich unglaublich!

Der Tag verging gefühlt sehr schnell, dass sicher auch weil wir durch die Delfine auch viel unterhalten wurden. Um 20 Uhr fing die erste Schicht für mich an und ich konnte gemütlich bei wenig Wellen den Sonnenuntergang beobachten. Dömu konnte anschliessend bei seiner Schicht die Milchstrasse und die vielen fliegenden Fische beobachten welche sich in der Nacht zeigten. Als ich meine zweite Schicht um 3 Uhr morgens begann, merkte ich, dass die See ein bisschen rauer wird, wir nähern uns der Europäischen Kontinentalplatte. Von vielen Berichten liest man dass dieser Teil rau sein kann, wenn starker Wind herrscht. Wir hatten nicht viel Wind daher machte ich mir nicht allzuviele Sorgen. Doch ich merkte wie unser Autopilot immer wie mehr mühe hatte den Kurs zu behalten. Einmal blockierte er und ich musste das Rudder übernehmen, ich lenkte uns wieder auf Kurs und versuchte ihn nochmals zu aktivieren. Der Autopilot griff und steuerte wieder, perfekt. Ich machte meinen Kontrollblick rund um uns herum und da spielte kurz alles verrückt und ich war kurz verloren.

Der Autopilot hatte kurzerhand entschlossen unser Schiff um 180 Grad zu drehen, was zur Folge hatte, dass die Segel kollabierten und ein Ruck durch das Schiff ging dass mich extrem verschreckte. Dömu wachte auf und fragte was los sei, ich konnte das geschehene noch garnicht einordnen und sagte ihm dass ich nicht weiss was ich tun oder lassen soll, alles spielt verrückt. Dömu beruhigte mich und gab mir Anweisungen, was ich am besten tun könne während er sich anzog und mir half. Wir drehten das Schiff wieder auf Kurs und versuchten den Autopiloten wieder zu starten doch er wollte das Schiff immer um 180 Grad drehen. Wir verstanden die Welt nicht mehr. Ich steuerte das Schiff von Hand, old School, die Strömungen waren stärker geworden. Anscheinend hatte unser Autopilot bereits früher probleme gemacht, der Kompass musste bereits ersetzt werden und er wurde mehrmals gewartet. Gut, den können wir wohl jetzt vergessen, Dömu war so gut und schlau und hat in Brest noch die Windvane bereit gemacht.

Eine Windvane ist eine Windsteueranlage, kann man so sagen. Ein Ruder befindet sich im Wasser eines oben in der Luft, via Pinnen werden zwei Seile zum Steuerrad gezogen. Die Fahne oben wird in den Wind gedreht, sobald das Schiff vom Kurs abkommt, drückt der Wind auf die Fahne und das Rudder wird bewegt, durch die Seile wird zusätzlich das Rudder des Schiffes mitbewegt. Unter Seglern sagt man das für lange Törns umbedingt eine Windvane verwendet werden soll, denn im Vergleich zu einem Autopiloten benötigt sie keinen Strom und wenn der Wind immer gleichmässig ist, muss diese nur selten getrimmt werden.

Dank Dömu hatten wir unseren Notfall-Autopiloten schnell am Steuerrad angemacht und es funktionierte perfekt. Bis jetzt konnten wir die Windvane nicht ausprobieren und wir wussen nicht ob sie es wert ist, denn sie nimmt ziemlich viel Platz weg. Doch nach dieser Nacht würde ich sie nie wieder hergeben, das Ding ist Gold wert!

Tag 2 – Wind, Wellen und tristes Wetter

Die Nacht verlief nach dem Ausfall des Autopiloten ruhig. Wir schliefen nicht so gut in der Nacht, weshalb wir durch den Tag hindurch uns immer wieder abwechselnd hinlegten und ein bisschen dösten. Am Morgen holten wir uns mit dem Satelittentelefon die neusten Wetterdaten, wir werden mehr Wind und Wellen bekommen. Die Hervorsage, mit welcher wir geplant haben stimmt, ein bisschen mehr doch das sollten wir hinbekommen. Der Himmel deckte sich, eine Front rollt auf den Biscay zu und wir hoffen das wir nicht hinein geraten. Gemäss unserer Abschätzung und Einschätzung in dem Moment sollten wir vor dem Gewitter Segeln und immer nur am Rande sein.  Wir werden es merken, doch nie so schlimm wie wenn wir mitten drin sind. Während der Wind zu nimmt, merken wir wie er auch zunehmend immer mehr aus Richtung Süd Westen kommt. Das war weniger gut, wir hatten mit längerem, Nord West und West Wind gerechnet welcher uns weiter Raus in den Atlantik tragen würde. Nun wurden wir von den grösseren West Wellen und dem Süd West Wind immer wie mehr in den Biskay gedrückt. Das ist nichts schlimmes fürs Segeln oder gefählich für uns, es ist nur blöd weil wir unser Ziel A Coruña so nicht erreichen konnten. Doch wir liesen uns nicht zu viel auf diese Gedanken ein.

Das Wetter, Wind und Wellen brauchte unsere Energie, wir mussten dank der Windvane nicht steuern, doch mussten wir durch den stärker werdenden Wind ein Auge auf unsere Segel haben. Es ist immer wieder eindrücklich wie viel unsere Nebula aushält. Oft erwischt man sich selbst, beim Gedanken jetzt ist der Moment und etwas geht zu bruch. Doch es ist praktisch unmöglich, so viel GFK wie in diesem Schiff verbaut ist, da ist nicht die frage ob unser Schiff es durch hält sondern wir. Ich muss eingestehen das ich von diesem Tag nicht viel weiss ausser das er Kräfte zerrend war. Wir hatten keine Begegnungen mit Delfinen oder Fischen, jedoch begleitete uns ein Art Seevogel. In der Nacht und bei Tag segelte er tief über den Wellen und scheint nach irgendwas ausschau zu halten. Leider habe ich keine Ahnung was für eine Art Vogel das war, ich hätte auch nie gedacht so weit draussen noch einen Vogel zu sehen. Die Nacht kam und wir verfielen in unseren 3 Stunden Rythmus und hofften das Morgen die See ein bisschen gnädiger mit uns sein würde.

Tag 3 – Der Lichtblick am Horizont

Der dritte Tag brach an, die Wetterdaten versprachen uns Regen und immer noch genügend Wind von Südwesten. Wir hatten uns schon längers darauf eingestellt unser Ziel nicht zu treffen, doch wir wären nicht gut vorbereitet, hätten wir nicht noch weitere Anlaufstellen an der Küste von Spanien angeschaut. Bereits bei der Planung wussten wir, falls wir durch Wellen, Wind oder auch durch uns Selbst mehr Richtung Osten segeln müssen wir solche «Notfall-Marinas» haben. Das hört sich krasser an als es ist. Unser Plan A war es nach A Coruña zu segeln, Plan B wäre unser Ziel Viverio gewesen welches weiter Östlich liegt. Plan C wäre Gijon, welches östlich von Viveiro liegt. Am Sonntag hatten wir den perfekten Kurs auf Gijon und wir nahmen was wir bekamen, denn es war nicht mehr weit. Der zweite Tag hatte uns ausgelaugt, wir waren müde und waren froh das wir wenigsten unseren Plan C einhalten können.

Das neue Ziel gab uns neue Motivation und auch ein bisschen Energie, wobei diese merklich kleiner ist als zu den Tagen zu vor. Wir beide wussten wenn es sein muss könnten wir an der Küste noch bis nach A Coruña durchziehen, doch warum? Ja wir hatten das Ziel dort hin zu segeln, doch Wind und Wellen haben leider nicht mitgespielt, warum etwas erzwingen? Durch den Tag hindurch wechselten wir uns ab, um ein bisschen Schlaf nachholen zu können. Wir würden sehr spät Abends in Gijon ankommen, denn es ist doch noch eine grosse Distanz zu segeln. Wir sahen endlich wieder Festland, wir freuten uns riesig! Mit dem Festland kam jedoch dan auch die Flaute, hier ist es üblich das am Land entlang der Wind gegen Abend abschwacht oder ganz stirbt. Somit mussten wir die letzten 5 Stunden Richtung Gijon motoren.

Wir erreichten Gijon nach 23 Uhr, wir sind noch nie bei Nacht in eine Marina hineingefahren. Ich war tierisch nervös, denn ich hatte noch nie im dunkeln eindocken müssen. Ich hatte angst, dass ich unser Schiff irgendwo dagegenramme oder sonstiges. Dömu Herr der Lage meinte nur solange ich nahe genug ans Pantoon fahre könne er unser Schiff auch von Hand zurecht ziehen, ich mache das schon. Es war hell, heller als gedacht als wir in den Hafen fuhren. Beim Besucher Pantoon hatten wir sogar noch das Glück das ein Belgisches Paar auf dem Schiff noch am Wein trinken war. Sobald wir uns dem Pantoon näherten kamen sie und wir konnten die Leinen werfen. Ich bin so dankbar, ist das unter den Seglern eine normale Geste. Das Eindocken war somit gemeistert und ich war froh sind wir heil angekommen. Kaputt von der Überfahrt, räumten wir alles in eine Ecke. Die Geräte alle abschalten und ab ins Bett. Denn mehr konnte man uns wirklich nicht mehr zutrauen.

Nun werden wir uns in Gijon erholen und noch Besuch empfangen auf welchen ich mich riesig freue. Ich wünsche euch allen einen wunderschönen Abend und bis zum nächsten Mal 🙂
Liebi Grüessli Ellen

Comments

  • Samuel
    15. August 2023

    Salut Ellen,

    Ich habe heute mal entlich wieder Zeitgefunden euren Blog zu lesen, du schreibst echt spannend, so dass man richtig mitfühlen kann. Das weckt in mir selbst auch wieder die Abenteuerlust und auch die eine oder andere schöne erinnerung. Richtig toll sind auch die von euch eingefangenen Bilder und Videos, die wahrscheinlich nur eine kleine Impression der schönen, aber sicher auch herausfordernen Momente die erlebt mitgeben.

    Ich wünsche euch für den weiteren Verlauf weitere so eindrucksreiche momente und erfahrungen. (und ganz viele Delphine :D)
    Liebe Grüsse
    Samuel

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